Rückblick auf Kult-Musikshow

"Ich wollte ich sein" - Ilja Richter machte sein Ding als "disco"-Moderator

24.11.2022, 13.15 Uhr

Mit seinen absurden Sketchen und seinem speziellen Mode-Geschmack machte sich Ilja Richter zum Publikumsliebling der 70er Jahre. Seine Musikshow "disco" erreichte Kult-Status und gehört zu den Erfolgs-Formaten des ZDFs. Von 1971 bis 1982 führte Ilja Richter als Moderator durch die beliebte Show. Nun feiert der TV-Star seinen 70sten Geburtstag - Eine gute Gelegenheit, einen Blick zurück, auf die guten und schlechten"disco"-Zeiten zu werfen. 

Damals, am 13. Februar 1971, staunte das TV-Publikum sicher nicht schlecht: Da kam ein steif wirkender junger Mann mit Anzug und Krawatte daher und rief: "Einen wunderschönen guten Abend, meine Damen und Herren!" Um sich mit einem für damalige Verhältnisse provokativ jugendlichen "Hallo Freunde!" aufs Schelmischste selbst zu kontern. Ilja Richter ging als damals jüngster deutscher Moderator mit seiner Musik-Show "disco" im ZDF auf Sendung und avancierte rasend schnell zu Deutschlands erstem wirklichen Popstar.

"70er-Jahre nicht glorifizieren"

Heute blickt der einstige Publikumsliebling durchaus kritisch auf die Zeit zurück – auch wenn ihn Menschen heute noch mit seinem berühmten "disco"-Ausruf: "Licht aus – Spot an!" verbinden: Jetzt, da er selbst 70 werde, werde er die 70er-Jahre nicht glorifizieren, erklärte er jüngst in einem Interview im NDR-Magazin "Das!": "Aber ich lasse den Menschen gerne die Erinnerungen daran." Er lebe hingegen lieber in der Gegenwart: "Meine große Zeit ist jetzt!", sagt Richter, der sich heute nicht mehr auf der großen TV-Bühne bewegt, aber immer noch gerne sein Publikum unterhält.

Seine ersten Auftritte als Unterhalter hatte der am 24. November 1952 in Ost-Berlin geborene Richter noch als Kind in der Kneipe seiner Eltern, zu seinem ersten Vorsprechen brachte ihn seine Mutter, eine ehemalige Schauspielerin, ebenfalls schon früh: Bereits mit acht Jahren engagierte ihn der Radiosender RIAS als Sprecher und Sänger. Im Jahr darauf feierte Richter im Theaterstück "Belvedere" seine Bühnenpremiere und wurde bald auch für Film und Fernsehen entdeckt: 1967 spielte er in der ZDF-Serie "Till, der Junge von nebenan" eine der Hauptrollen, 1970/71 war er in nicht weniger als zehn (!) "Pauker"-Filmen ("Unsere Pauker gehen in die Luft") und Schlager-Klamotten ("Tante Trude aus Buxtehude") zu sehen.

 "Ich habe mich nicht darum geschert, was man tragen muss"

Zum Star machte ihn dann aber "disco" – die auch dank ihm zum TV-Straßenfeger wurde. Sein steifes, britisches Aussehen, seine lockeren Sprüche, dazu absurde Sketche und Parodien, in denen er die Hauptrolle spielte – als Moderator setzte er sich zwischen alle Genres, Stühle und Generationen. Vor Jahren sagte er im ZDF-Talk von Johannes B. Kerner, dass er eben "keine Zeitfurie" gewesen sei: "Ich habe mich nicht darum geschert, was man tragen muss. Vor allen Dingen wollte ich nicht tragen, was die anderen tragen, nicht Jeans, nicht Batikhemden ... Sondern ich wollte ich sein. Ich wollte eigentlich ein kleiner Gentleman sein, so wie ich das in altmodischen Filmen gesehen hatte. Nur zufälligerweise betreute ich eine Popshow."

Obwohl die Popshow fast alle Geschmäcker zufriedenzustellen versuchte, fast alle Stars der 70er-Jahre – von ABBA bis Status Quo, von Bernd Clüver bis Peter Maffay, von Suzi Quatro bis Gary Glitter – in der "disco" auftraten, sieht Richter die Show und seine Rolle darin heute durchaus kritisch: Es sei "Zeit für eine Abbitte", schreibt er in seinem neuen Buch: "Denn Dummheit zu erkennen und sie dann auch noch zu präsentieren, war opportunistischer als die dummen Schlager selbst. Helene Fischer glaubt an das, was sie singt. Ich aber glaubte, man würde nicht merken, an was ich nicht glaubte."

Ilja Richter mit neuen Herausforderungen

Seit dem Ende der Kult-Sendung 1982 ist Richter zwar bis heute immer wieder in Serien- ("Drei Damen vom Grill", "Tatort", "Forsthaus Falkenau") und TV-Filmrollen ("Rosamunde Pilcher: Alte Herzen rosten nicht", "Alice im Weihnachtsland") zu sehen und ist auch als Synchron- (Erdmännchen Timon in "Der König der Löwen") und Hörbuchsprecher ("Der Räuber Hotzenplotz") gefragt. Seine Leidenschaft galt aber vor allem dem Theater: In über 50 Inszenierungen stand Richter auf der Bühne, "da er die Darstellung der Charaktere im Theater als größere Herausforderung empfand", wie die Biografie auf seiner Homepage (www.iljarichter.de) erklärt.

Auch als Autor machte sich Richter, der heute mit seiner Lebensgefährtin in Berlin-Pankow lebt, einen Namen: Für sein Buch "Du kannst nicht immer 60 sein. Mit einem Lächeln älter werden" erntete er 2013 gute Kritiken – auch weil er einen humorvollen, aber ehrlichen Blick auf das Thema warf. "Ich mache es mir nicht so leicht zu sagen, dass das Altern kein Problem ist", sagte er damals im Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau. "Ich tabuisiere es lediglich nicht. Und ich versuche das Alter nicht in meinem täglichen Bereich zu verbannen, indem ich mir etwa die grauen Haare färben würde. Frauen dürfen sich jünger machen, das ist in gewissen Maßen charmant. Wenn Männer das tun, hab ich auch für sie ein Lächeln übrig, aber ein herablassendes."

Sein im September 2022 erschienenes Buch "Nehmen Sie's persönlich: Porträts von Menschen, die mich prägten" stellt er aktuell in im Rahmen einer musikalischen Lesung vor, im nächsten Jahr präsentiert Richter zudem mit "Meine Lieblingslieder" seinen ersten Liederabend. Doch auch diese Projekte sollten nicht als (reine) Nostalgie verstanden werden: Er lebe sich heute gern "in der kleinen Form" aus, sagte er im "DAS!"-Interview. Solche Dinge wie das Buch, die Lesungen oder die Liederabende habe er sich damals "mit dem "Straßenfeger 'disco'" einfach nicht erlauben können.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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