"Jagd in Kapstadt"

"Tödliche Geheimnisse" und eine diabolische Katja Riemann

von Eric Leimann

Auch Teil zwei des Thriller-Konstrukts rund um Macht und Skrupellosigkeit internationaler Konzerne erzählt spannend und informativ von der globalisierten Welt. Nur die Künstlichkeit der Figuren nervt etwas.

ARD
Tödliche Geheimnisse – Jagd in Kapstadt
Thriller

Schon erstaunlich, dass der Polit-Journalismus-Thriller "Tödliche Geheimnisse" im November 2016 über fünf Millionen Zuschauer in seinen Bann zog. Thema des ersten Teils waren politischer Lobbyismus und das Freihandelsabkommen TTIP. Nicht gerade der Stoff, aus dem hochfliegende Quotenträume gedrechselt werden. Vielleicht war die prominente Besetzung für den Erfolg verantwortlich, der nun in einer Fortsetzung resultiert: Ex-"Tatort"-Kommissarin Nina Kunzendorf und Anke Engelke als investigative Journalistinnen, Katja Riemann als wunderbar diabolische Konzernchefin. Sie und weitere Stars sind nun auch wieder dabei.

Die Handlung verlegte Drehbuchautor Florian Oeller, der auch Teil eins schrieb, von Europa nach Südafrika. Die Journalistinnen Rommy Kirchhoff (Kunzendorf) und Karin Berger (Anke Engelke) sind immer noch auf der Suche nach Lobbyist Paul Holthaus (Oliver Masucci), der als Whistleblower über die Machenschaften des Agrarkonzern Norgreen Life auspacken wollte. Tatsächlich hält Chefin Lilian Norgren (Katja Riemann) den in Ungnade gefallenen Top-Mitarbeiter hier versteckt – in einer Art goldenen Käfig. Norgren, die sich mit Holthaus unfreiwilliger Samenspende den Traum einer späten Schwangerschaft erfüllte, scheint ihren widerborstigen Ex-Lover in der Hand zu haben.

Die Journalistinnen und Holthaus' Sohn Max (Leonard Scheicher) recherchieren derweil am Kap den Skandal um das Pflanzenschutzmittel Pancosal. Das Norgreen Life-Produkt steht im Verdacht, eine bestimmte Form von Leberkrebs auszulösen. Dessen Bestätigung könnte dem Agrar-Giganten schwerste Schäden zufügen. Einer von Norgrens größten Gegnern ist der idealistische Arzt Dr. Schwarz (Benjamin Sadler). Dessen Forschungsarbeiten im Kongo scheinen ein Medikament gegen den Krebs gefunden zu haben. Das Patent verspricht einen Milliardengewinn. Kommt hier Internet-Mogul Larry Jordan (Francis Couler) ins Spiel. Er möchte dieses Patent erwerben und Intim-Feindin Lilian Norgren damit atomisieren. Oder kommt im Ränkespiel der globalisierten Konzernmachenschaften am Ende doch alles ganz anders?

Viel Frust und eine reichlich komplizierte Geschichte

Man kann nicht sagen, das Autor Oeller und Regisseurin Sherry Hormann ("Operation Zucker – Jagdgesellschaft") ein besonders wohltuendes Bild unserer Gesellschaft zeichnen. Wie schon im ersten Teil kämpfen die Kleinen (Journalisten, Liebende, Kinder) gegen die Großen – übermächtige Konzerne. Der Sieger steht im Grunde vorher fest. Teilerfolge der investigativen Aufklärer retten die Laune des Mainstream-Zuschauers vor dem Knockout. Wer will schon die Guten stets verlieren sehen, selbst wenn es realistisch wäre? Was wäre aus "Star Wars" geworden, wenn der Todesstern 1977 die Rebellen einfach in Grund und Boden gebombt hätte und das Imperium mit einem zufrieden röchelnden Darth Vader als Sieger vom Feld gegangen wäre?

"Tödliche Geheimnisse" mutet dem Zuschauer tatsächlich viel Frust zu, dazu eine reichlich komplizierte Geschichte. Im zweiten Teil wird sie fast spannender und straighter erzählt als im ersten. Kann sich Holthaus aus den Fängen der seltsamen Spinnenfrau Norgren (mal wieder großartig ambivalent: Katja Riemann) retten? Wird es Idealist Dr. Schwarz schaffen, seinen wissenschaftlichen Sensationsfund klug gegen die Interessen der Konzerne in Stellung zu bringen?

Doch es gibt auch Haare in der Suppe des inhaltlich ambitionierten ARD-Thrillers: Wie schon im ersten Film lässt Florian Oeller seine Protagonisten wieder sehr viele Dinge erklären, die den Zuschauer über internationale Verstrickungen von Wirtschaft und Politik aufklären sollen. Das ist interessant, wenn auch im Sinne der Figuren nicht allzu realistisch. "Tödliche Geheimnisse – Jagd in Kapstadt" ist insofern ein sehr deutscher Thriller, weil das Drehbuch ziemlich didaktisch geraten ist und kaum Leerstellen zulässt.

Sämtliche Figuren befinden sich in essenziellen persönlichen Konflikten, für deren Bearbeitung sie allerdings keine Zeit haben. Des Deutschen Thriller-Pflicht besteht darin, in langen, erklärenden Mono- und Dialogen die neue, böse Welt zu erklären. Keine Frage, man kann diesem spannenden Film gut ansehen. Lebensecht ist er trotz seines Faibles für journalistische Recherche aber nicht. Dafür fehlen ein paar echte Menschen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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