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"Catastrophe": Das Beste zweier Welten

von Eric Leimann

Rob und Sharon, um die 40, lernen sich in einer Londoner Bar kennen. Er ist Amerikaner und hat geschäftlich in England zu tun. Sie arbeitet als Lehrerin an einer Grundschule. Man verbringt ein paar heiße Nächte miteinander, danach geht das normale Leben weiter. Rob fliegt zurück nach Boston. Doch die Tage in London bleiben nicht folgenlos. Sharon ist schwanger. Die Eltern in spe beschließen das Kind zu bekommen, obwohl sie sich kaum kennen. "Catastrophe" ist das wunderbar geschriebene und gespielte Werk der beiden Hauptdarsteller Sharon Horgan und Rob Delaney. Im UK und den USA seit Staffel eins im Jahr 2015 längst mehr als ein Geheimtipp, starten die drei Staffeln des brillanten Komödienwerk nun auch beim deutschen VoD-Anbieter Amazon Prime.

"Catastrophe", der Titel dieser ursprünglich vom britischen Channel 4 produzierten Serie, zitiert "Alexis Sorbas". "Ich bin ein Mann, also habe ich geheiratet. Frau, Kinder, Haus, alles. Die volle Katatstrophe", sagt Hauptdarsteller Anthony Quinn im Filmklassiker von 1965. Auch Rob und Sharon kämpfen mit zahlreichen Ängsten und der Frage, ob dieses überraschend schnell um die Ecke gekommene Familienmodell nun wirklich das Richtige ist.

Was die an sich simple Grundidee der Serie so besonders macht, ist die Tatsache, dass beide Hauptfiguren dem typischen "Bachelor"-Alter entwachsen sind. Auch wenn Sharon und Rob dem hedonistisch ungebundenen Großstadtleben nicht abgeneigt sind, bekommt es der Zuschauer hier mit mehr Lebenserfahrung und Tiefe zu tun, als in den üblichen "Ups, wir bekommen ein Baby"-Formaten. Worunter das komödiantische Resultat keineswegs leidet.

Sprachlich hochklassiges Werk

Autorin und Hauptdarstellerin Sharon Horgan, in der Serie wie auch im wirklichen Leben irischer Abstammung, wurde vor zehn Jahren durch das BBC-Produkt "Pulling" bekannt. Die Serie erzählte von drei Freundinnen um die 30, die versuchen, sich im erwachsenen Leben zurechtzufinden. Zehn Jahre später wird es nun höchste Zeit, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Was man "Catastrophe" im positiven Sinne anmerkt. Horgan, die sich als Spiel- und Drehbuchpartner den amerikanischen Stand-up Comedian Rob Delaney aussuchte, zeigt in ihrem präzisen und sprachlich hochklassigen Werk über drei Staffeln mit 18 Folgen à 30 Minuten, dass man auch mit Anfang 40 nicht plötzlich reif und erwachsen geworden ist, nur weil es das Lebensklischee so vorschreibt.

"Catastrophe" erzählt von Sharons Ängsten vor der plötzlichen Nähe zu Rob, von den Sorgen der späten Schwangerschaft, den mitunter schwierigen Beziehungen zu Eltern und langjährigen Freunden. Nicht nur die Szenen zwischen Sharon und Rob strahlen einen Witz und eine Authentizität aus, wie man sie selten im Komödiengenre findet. Auch die Nebendarsteller füllen den Raum mit viel herzerwärmendem, gebrochenem Leben aus. Mit dabei: die britischen Stars Ashley Jensen ("Extras", "Alles Betty!") und Mark Bonnar ("Unforgotten"). Die im Dezember 2016 verstorbene Star Wars-Ikone Carrie Fisher ist in ihrer letzten TV-Rolle als Robs Mutter zu sehen, die letzte Folge von Staffel drei ist Fisher gewidmet.

"Catastrophe" bietet neben einer guten Idee und ihrer handwerklich weit überdurchschnittlichen Ausführung noch etwas, das im Komödien-Genre selten ist. Die britische TV-Produktion, die in Amerika wie nun auch in Deutschland über Amazon Prime zu sehen ist, bietet das Beste zweier TV-Komödientraditionen, der britischen und der amerikanischen. Rob Delaney, der unter anderem für seinen brüllend komischen Twitter-Kanal in den USA gefeiert wird, bringt spürbar ein Stück US-Kultur und Humorverständnis in die Serie ein. Das Fürsorgliche, in Beziehungsdingen Ernsthafte, aber auch etwas jungenhaft Naive, welches das bürgerlich amerikanisch Männerbild auszeichnet, das verkörpert auch sein Serien-Alter Ego Rob. Während man bei Sharon und ihrer zwischen britischem Zynismus und Verzweiflung changierender London-Posse britischen Sprachwitz, aber auch eine vergleichsweise weniger moralisch geprägte, europäische Lebensweise findet.

Vierte Staffel kommt

"Catastrophe" geht 2018 übrigens in eine vierte Staffel. Im UK zogen die Zuschauerzahlen beim Privatsenders Channel 4 mit jeder Staffel an. Sharon Horgan, 47, ist im wirklichen Leben verheiratet und Mutter zweier Töchter. Rob Delaney, der tatsächlich mit Frau und drei Kindern als Amerikaner in London lebt und sich dort als linksliberaler Politaktivist profiliert, haben mit "Catatstrophe" eine besondere Serie erschaffen. Es ist die geglückte Kreuzung amerikanischer und britischer Humorkultur im kurzen TV-Format. Deutsche Komödienschreiber dürfen sich an diesem vielfach für Preise – unter anderem dem Emmy – nominierten Lebensstück gerne ein Beispiel nehmen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst