Film in der ARD

"Nachtschatten – Der Usedom-Krimi": Verstörende Folgen einer Party

von Wilfried Geldner

In einem von drei neuen "Usedom-Krimis" läuft die Strandparty einiger Jugendlichen völlig aus dem Ruder:  Ein Mädchen wird vergewaltigt – und dann gibt es auch noch einen Toten.

ARD
Nachtschatten – Der Usedom-Krimi
Krimi • 29.10.2020 • 20:15 Uhr

Auch im elften Usedom-Krimi, "Nachtschatten", ist wieder viel los – die Strandparty einer Gruppe von Jugendlichen ist aus dem Ruder gelaufen. Es gibt einen Toten, eine junge Frau wird vergewaltigt. Selten hat es aber auch eine Ermittlerin so hart getroffen wie die Ex-Staatsanwältin Karin Lossow (Katrin Sass) in der horizontal erzählten Usedom-Reihe. Nach dem Totschlag an ihrem Mann aus dem Gefängnis entlassen, musste Lossow auch bald noch die Entführung und Ermordung der Tochter hinnehmen, gewesene Kommissarin zu Heringsdorf. Ersatz fand sich in der dänisch stämmigen Kommissarin Ellen Norgaard (Rikke Lylloff), die mit statuarischer Strenge dem Heringsdorfer Kommissariat längst eine schöne Power gibt.

Ihrerseits auf Muttersuche befindlich, droht sie nun – schwanger geworden – bald in den Mutterschaftsurlaub zu entschwinden, während sich Karin Lossow von der feierwütigen Jugendbande aus München (!) gleich mal wieder den Totschlag vorwerfen lassen muss. Ausgerechnet ihr Großneffe Ben, dessen Vater sich einst aus Usedom nach München versetzen ließ, soll einer der Hauptverdächtigen sein.

Im Zuge einer Strand- und Saunaorgie kam unter reichlichem Drogenmissbrauch im schönen "Waterkant"-Bungalow der Eltern ein 16-Jähriger zu Tode. Offensichtlich hat ihn einer der Jugendlichen in der Sauna eingeschlossen. Zugleich kam es aber auch zur Vergewaltigung einer jungen Frau, wie Ellen Noorgard aus deren verstörtem Verhalten schließt. Hat sie sich an ihrem Vergewaltiger gerächt, oder war dieser selbst der Mörder des Toten, hatte er einen Zeugen ausschalten wollen?

Das Drehbuch (Dagmar Gabler) nimmt von Anfang an die Perspektive des Vergewaltigungsopfers ein. In Großaufnahme zeigt die Kamera das schöne und zugleich tieftraurige, verstörte Gesicht von Felice (Lea Freund), die nun im Verlauf von Verhören und medizinischen Untersuchungen noch einmal zum Opfer wird. Wiederholte Flashbacks auf die Drogenparty streifen allerdings die Grenzen des Spekulativen. Es gibt psychologische Filmrisse, die sich die Regie (Felix Herzogenrath) in den Unschärfen einer Handkamera zu eigen macht. Zudem hat Ben (Merab Ninidze) ja auch noch den Ablauf des von ihm initiierten Abends mitgefilmt. Dass er sich selbst an nichts mehr erinnern kann, macht ihn besonders verdächtig.

Immer wenn der Film vom Leid des Opfers erzählt, von seiner ohnmächtigen Wut und Verstörtheit, wächst er über die üblichen recht stereotypen Überlegnungen und Kommandos der Ermittler hinaus. Der zweite Teil dieser Episode ist denn auch eine einzige Flucht. Felice will nur noch weg aus ihrer psychischen, von polizeilicher Seite gut gemeinten beschützenden Gefangenschaft. Andererseits wird auf der Täterseite Ben, der Polizistensohn aus München, von Emil Belton ("Unter dem Sand") in all seiner Verlorenheit gezeigt. Die Vorwürfe des verständnislosen Vaters gegen den mit dem Rücken zur Wand stehenden Sohn wachsen sich zu einem ganz eigenen Vater-Sohn-Drama in diesem Donnerstagskrimi aus.

Eher hilflos nehmen sich in ihrer Dramaturgie weitere Figuren aus: der notgeile alte Herr von Nebenan, der polnische Dealer, der im Autokino für teures Geld eine Waffe übergibt und Felice die Flucht verspricht. Von der schwimmenden Waterkant-Wochenendsiedlung aber scheint die regie derart fasziniert gewesen zu sein, dass für die wunderbar unwirtliche vorsaisonale Stimmung im März 2020 nur wenig übrig blieb. Das dürfte eher am Simultandreh (drei Folgen!) als an der während der Dreharbeiten ausgebrochenen Corona-Krise gelegen haben. (Die weiteren Folgen sendet das Erste am 05. und 12. November.)


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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