Volker Klüpfel und Michael Kobr

"Kluftinger"-Autoren kritisieren ARD: "Hatten kein Mitspracherecht"

von Rupert Sommer

Sie sind Allgäuer Urgesteine, mit ihrer mittlerweile zehnteiligen "Kommissar Kluftinger"-Krimiromanreihe Auflagenmillionäre, und ihre natürliche Fernsehheimat waren bislang der Bayerische Rundfunk und die ARD, wo vier ihrer Romanverfilmungen mit Herbert Knaup in der Titelrolle zu sehen waren. Doch nun haben Volker Klüpfel und Michael Kobr den Sender gewechselt.

Am Mittwoch, 1. August, um 20.15 Uhr, wird mit der vom Sender selbst als "TV-Experiment" bezeichneten halb dokumentarischen, halb gespielten Krimi-Show "Das Krimiduell – Der perfekte Mord?" ein Format bei SAT.1 zu sehen sein, in dem das bestens eingespielte Autorenduo auch selbst vor die Kamera treten wird. Das kuriose Konzept: Es geht um einen Fall, den sich Klüpfel und Kobr ausgedacht haben und den ein realer Kriminal-Ermittler nun lösen muss. Ein Anfang mit Potenzial? Etwaige künftige "Kluftinger"-Filme werden jedenfalls nicht mehr vom BR produziert.

prisma: Herr Kobr, Herr Klüpfel, Sie schreiben nicht nur mit vereinten Kräften, Sie treten auch gemeinsam auf und haben jetzt das Fernsehprojekt: Wie viele Blätter Papier passen denn eigentlich überhaupt noch zwischen Sie?

Volker Klüpfel: Beruflich nicht viele. Wir haben aber natürlich unterschiedliche Vorlieben.

Michael Kobr: Auch bei den Projekten. Nicht immer einer Meinung zu sein, ist bei der Art, wie wir arbeiten, ja sinnvoll. Nur dann befeuern wir uns gegenseitig. So kommt mehr raus, als wenn wir in der Harmoniesuppe baden würden. Unsere Uneinigkeiten sind ein Potenzial, das wir nutzen.

prisma: Wenn Sie schon von der Harmonie sprechen: Wer von Ihnen ist eher Seehofer, wer eher Merkel?

Volker Klüpfel: Wir sind doch hoffentlich keiner von beiden.

Michael Kobr: Dann könnte ich auch nicht mehr mit dem Volker zusammenarbeiten. So oder so.

prisma: Wie viel Leben bleibt noch außerhalb der Autoren-Paar-Beziehung?

Michael Kobr: Wir haben ja vor acht Jahren unsere Brotberufe an den Nagel gehängt. Dadurch dreht sich in unseren Leben jetzt natürlich alles um dieses Geschäft. Wir arbeiten halt wie normale Leute – gönnen uns sogar arbeitsfreie Wochenenden. Wir sind viel unterwegs, dann aber auch viel am Stück zu Hause, was vermutlich auch unsere Familien ganz gut finden.

prisma: Wie groß ist nach so einer Familien- oder hoffentlich natürlich auch mal einer Ferien-Zeit die Sehnsucht nach dem Schreib-Partner?

Michael Kobr: Wir haben nach ein paar Tagen noch nicht die große Sehnsucht. Aber es ist ja auch eine angenehme Arbeit, auf die wir uns nach dem Urlaub freuen. Man muss uns Montag in der Früh nicht an den Schreibtisch prügeln.

prisma: Wie kam Ihr neues TV-Projekt "Krimiduell" zustande? Man bringt Sie ja eigentlich eher nicht mit SAT.1, sondern mit dem BR und der ARD in Verbindung.

Volker Klüpfel: Es war die Münchner Produktionsfirma Odeon Entertainment, die das Konzept für SAT.1 entwickelt hat. Es sieht vor, dass Krimiautoren das machen. Deswegen ist die Produktion dann auf uns gekommen, weil sie einerseits Krimiautoren brauchten, aber anderseits auch Leute, die vor der Kamera agieren können. Die Produktionsfirma hat uns einfach angefragt und uns das Konzept erläutert. Wir fanden das wahnsinnig spannend und haben recht schnell gesagt: Da machen wir mit!

prisma: Sie standen ja schon allein bei den "Kluftinger"-Verfilmungen in kleinen Rollen vor der Kamera. Allerdings stellt man sich einen Schriftsteller nicht unbedingt als einen Menschen vor, der sich in die Karten schauen lassen möchte.

Michael Kobr: Das stimmt schon. Allerdings war diese neue Idee spannend. Die Frage, ob unsere Einfälle auch sozusagen im "Real Life" funktionieren, war für uns schon sehr reizvoll. Deswegen haben wir uns zu dem Schritt entschlossen, auch tatsächlich als Autoren vor die Kamera zu treten und uns zu "duellieren".

prisma: Wie muss man sich das konkret vorstellen? Sie haben ja schon etwas geschrieben. Gibt es auch Raum fürs Improvisieren?

Volker Klüpfel: Ja. Wir haben uns den Fall inklusive der Protagonisten, also der Verdächtigen, ausgedacht. Die einzelnen Personen, die dann verhört werden, mussten wir mit Rollenbeschreibungen versehen, an denen sich die Schauspieler orientieren. Aber es ist natürlich klar, dass sie improvisieren müssen, wenn sie vom echten Ermittler befragt werden.

Michael Kobr: Die Schwierigkeit dabei war: Kluftinger gehorcht uns aufs Wort. Wir wussten aber nicht, wie der echte Ermittler vorgehen wird. Also mussten wir antizipieren, wie er es machen könnte.

prisma: Aber konnten Sie wenigstens Wünsche äußern – etwa dass der Kriminaler kein Typ Rambo ist, sondern so ein wenig dem Kluftinger-Phlegma nahe kommt?

Volker Klüpfel: Nein, gar nicht. Der Ermittler wurde alleine von der Produktionsfirma ausgewählt. Kluftinger wäre, was das Agieren vor der Kamera angeht, für das Format kontraproduktiv gewesen.

prisma: Weil er nicht reden mag vor Leuten?

Volker Klüpfel: Eben. Er ist eher nicht der Typ für die Kamera.

prisma: Warum heißt die Sendung eigentlich "Duell"? Haben Sie gewonnen, wenn der Ermittler es nicht schafft, Ihnen auf die Schliche zu kommen?

Volker Klüpfel: Genau. Darum geht's.

prisma: Und Sie haben sicher etwas richtig Hinterfuchsiges einfallen lassen?

Michael Kobr: Das war unser Anspruch. Wenn der Ermittler unseren Fall nach zwei Minuten auflöst, wäre das schon schlimm.

prisma: Wie fühlt sich so ein TV-Experiment für Sie an? Es ist ja halb dokumentarisch, halb fiktional – und auch mal was ganz Neues für SAT.1. Groß gedacht könnte man damit ja Fernsehgeschichte schreiben ...

Volker Klüpfel: (lacht) Das war uns Gott sei Dank nicht bewusst.

Michael Kobr: Sonst wären wir wahnsinnig nervös gewesen.

prisma: Die Zuschauer dürfen aber nicht mitknobeln, oder? Es ist kein "Aktenzeichen XY" der augenzwinkernden Art?

Michael Kobr: Mitknobeln sollen, müssen sie natürlich. Das macht ja den Reiz aus. Aber sie müssen danach nicht anrufen, es ist nicht interaktiv.

prisma: Sie haben vor gar nicht so langer Zeit den zehnten Kommissar-Kluftinger-Band mit dem schön schlichten "Kluftinger"-Titel vorgelegt. Auf dem Cover befindet sich ein Grabkreuz mit Kluftingers Namen ... Sie werden doch so ein großartiges Projekt, das Sie auch zu Auflagenmillionären gemacht hat, nicht so einfach beenden?

Volker Klüpfel: Was sicher ist: Als Nächstes werden wir ein Buch schreiben, das nichts mit Kluftinger zu tun haben wird. Ob es mit Kluftinger weitergehen wird, weiß der Leser eben, wenn er den neuen Band fertig gelesen hat. Deswegen können wir es auch nicht verraten.

prisma: Reizt es Sie, in Zukunft verstärkt andere Stoffe auszuprobieren? Mit "In der ersten Reihe sieht man mehr" hatten Sie das ja schon gemacht ...

Michael Klüpfel: Unbedingt. Wir haben das auch für die Arbeit am Kluftinger als sehr wichtig erfahren. Wenn man sich auch mal anderen Stoffen zuwendet, ist man einfach innerlich frischer, wenn man dann wieder zum Normalbetrieb zurückkehrt.

prisma: Wie weit darf das gehen? Dem Krimi bleiben Sie treu – oder könnte es auch mal ein ganz anderes Genre sein?

Michael Kobr: Zusammen mit dem Volker Erotik zu besprechen, wäre nicht gerade mein Wunschtraum. Deswegen bleiben wir lieber bei den Morden.

Volker Klüpfel: "In der ersten Reihe sieht man mehr" war auch kein Krimi. Wir probieren uns schon in verschiedene Richtungen aus.

prisma: Dass Sie weiter zusammen schreiben, steht aber fest?

Volker Klüpfel: Vorstellen kann man sich vieles. Aber die Zeit für Einzelwege haben wir gar nicht. Wir stecken so voll mit Projekten, dass sich die Frage im Moment nicht stellt.

prisma: Ist es wirklich so, dass man zu zweit schneller schreibt als alleine?

Michael Kobr: Nein, gar nicht. Man plottet genauer und bespricht alles präziser. Vielleicht läuft's hinten raus ein bisschen schneller – beim Lektorat und beim Überarbeiten. Das ist bei uns ja Teil des Konzeptes, dass wir Sachen beim Besprechen auch wieder verwerfen. Das Schreiben geht aber natürlich nicht schneller. Es muss ja alles erst mal durchgekaut und diskutiert werden.

prisma: Wie sieht es denn eigentlich in Ihrem Seelenleben aus: Träumen Sie manchmal vom Kluftinger?

Volker Klüpfel: Schön wär's. Da warte ich schon länger drauf, dass ich mal im Traum einen Stoff präsentiert kriege, den ich mir dann nicht mehr selber ausdenken muss. Bislang ist das aber noch nie passiert. Ich träume schon mal von Auftritten, aber Kluftinger hat mich noch nie im Schlaf besucht.

prisma: Die Verfilmungen der "Kluftinger"-Romane hinken Ihrem enormen kreativen Output noch hinterher. Wann kommt eigentlich der nächste Film ins ARD-Programm?

Volker Klüpfel: Für die ARD werden gar keine mehr produziert. Nach dem letzten Film hat man dort gesagt, dass man nicht weitermachen wird. Uns war das nicht ganz unrecht. Wir waren mit der Art, wie die Filme entstanden waren, nicht sehr zufrieden. Wir hatten praktisch kein Mitspracherecht.

prisma: Etwa bei Besetzungsfragen?

Volker Klüpfel: Um die Besetzung ging's weniger. Wir hatten einfach den Eindruck, dass wir auf die Art, wie wir Kluftinger sehen, keinen Einfluss mehr nehmen konnten. Wenn wir solche Filme wieder machen könnten – und da sind wir gerade dran –, dann würden wir das nur zulassen, wenn wir massiv Einfluss auf das Endergebnis nehmen könnten. Wir wollen, dass man uns nicht nur hört, sondern dass man uns hören muss.

prisma: Heißt das, Sie hatten bei den bisherigen Produktionen höchstens so etwas wie einen Beraterstatus?

Volker Klüpfel: Genau. Und uns schwebt für die Zukunft ein belastbares Vetorecht in entscheidenden Fragen vor.

prisma: Die noch nicht verfilmten Kluftinger-Romane sind also frei für mögliche andere TV-Produktionen, auch für einen anderen Sender?

Volker Klüpfel: So ist es. Es finden auch schon Gespräche statt.

Michael Kobr: Die Filmrechte für die neuen Bücher liegen alle bei uns. Dann können wir entscheiden, was wir damit machen.

prisma: Was halten Sie denn allgemein von deutschen Fernsehkrimis?

Michael Kobr: Ich glaube, die Situation ist oft schwierig für den Autor. Verfilmungen sind immer nicht ganz einfach. Gerade unser Konzept – halb Krimi-, halb Privat-Handlung – ist in 90 Minuten nur schwer umzusetzen. Das 90-Minuten-Prinzip befindet sich mit den neuen Serienformaten ja auch ein bisschen in Auflösung. Zum Glück. Diese Entwicklung kann eine Chance sein – gerade für so eine Buchreihe wie die unsere.

prisma: Kluftinger als Serie – dafür wären Sie zu haben?

Michael Kobr: Wer weiß? Da ließe sich zumindest ein längerer Bogen erzählen. Die aktuelle Serienentwicklung ist zumindest für Autoren und Geschichtenerzähler spannend.

prisma: Vielleicht noch eine Worterklärung für die vielen Leser und Fans außerhalb des Freistaats: Wie erklärt man dem Rest von Deutschland eigentlich was der bayerische, vielleicht sogar der Allgäuer-"Grant" ist?

Michael Kobr: Es ist eine grundlegende Skepsis aller Außenwelt gegenüber – aber weniger aus Ablehnung und Abgrenzung, sondern oft aus ein wenig Unsicherheit und einer vermuteten Unterlegenheit heraus. Dann lässt man nicht alles an sich heran, sondern schaut erst mal von außen zu. Man bildet ja gerne so eine kleine raue Schale um sich selbst. Leuten, die in ungrantigen Regionen aufwachsen müssen, kann man so viel verraten: Es ist nicht so böse, wie es ausschaut.

prisma: Haben Sie sich auch so einen Schutzpanzer zugelegt? Gerade das Fernsehen ist ja nicht als geschmeidiges Umfeld verschrien...

Michael Kobr: Uns muss niemand mehr schützen. Das haben wir mittlerweile schon selber gelernt, auf uns aufzupassen. Im Fernsehgeschäft geht es schon anders zu als im Verlagswesen. Wir haben gemerkt, dass beim Fernsehen oft auch mal ein Ton herrscht, der nicht ganz so angenehm ist. Aber damit kommen wir gut zurecht: Wir kritisieren uns ja gegenseitig auch recht offen.

prisma: Was muss passieren, dass es mit möglichen weiteren Folgen der SAT.1-Sendung weitergeht?

Kobr: Wahrscheinlich muss es einfach einschlagen, was wir natürlich hoffen.

prisma: Wie gehen Sie an den Ausstrahlungstag ran?

Michael Kobr: Wir haben die Sendung ja schon vorab gesehen. Vermutlich werden wir kein Public Viewing im Allgäu abhalten. Aber im weiteren Familien- und Freundskreis werden wir uns das schon anschauen. Wir wollen ja die Zuschauerreaktionen im eigenen Umfeld direkt mitkriegen. Ich bin gespannt, ob die Familie dann draufkommt, wer der Täter war.

prisma: Hat Ihre Familie denn keine kriminelle Fantasie?

Michael Kobr: (lacht) Das wäre ja schlimm, wenn die genauso mordlüstern wären. Volker und ich beschäftigen uns ja nur von Berufs wegen ständig mit Mord und Totschlag.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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