Free-TV-Premiere bei ARTE

"Kirschblüten und rote Bohnen": Kochen als spiritueller Akt

von Katharina Schulz

Im Kochfilm "Kirschblüten und rote Bohnen" der Cannes-Gewinnerin Naomi Kawase treffen zwei einsame Menschen aufeinander: der melancholische Sentaro und die schelmische Tokue. In Sentaros Imbissbude finden sie bei der Zubereitung von Pfannkuchen und Bohnenpaste zu ihrer Zufriedenheit zurück. ARTE zeigt das Drama aus dem Jahr 2015 zur besten Sendezeit als Free-TV-Premiere.

ARTE
Kirschblüten und rote Bohnen
Drama • 14.05.2018 • 20:15 Uhr

Sentaro (Masatoshi Nagase) liebt nicht, was er tut. Jeden Tag backt er in seiner mickrigen Imbissbude kleine, dicke Pfannkuchen. Immer zwei Küchlein bestreicht er mit roter, süßer Bohnenpaste und legt sie aufeinander. Dorayaki heißt dieses japanische Gebäck, und die Paste nennt sich An. Ihre Zubereitung dauert Stunden und ist ein Akt der Aufmerksamkeit, der Ehrfurcht, ja der Liebe. Gefühle, die Sentaro abhandengekommen sind. Als die Kirschbaumallee über seiner Bude blüht, bewirbt sich eine alte Dame (Kirin Kiki) mit einer Box frischer Paste bei Sentaro. Seine traurigen Augen füllen sich beim Genuss dieser persönlichen Kreation mit Leben. Er stellt die alte Tokue als Aushilfe ein.

Die Zubereitung der süßen Bohnenpaste gleicht einer meditativen Übung, und die Kamera kommt dem Kessel, in dem sich die Hülsenfrüchte langsam mit dem Zucker verbinden, so nahe, als würde sie ein Geheimnis ergründen wollen. Tokue beobachtet die Wandlung ihrer Zutaten und fühlt sich ein, wie die Bohnen unter Regen- und Sonnentagen wuchsen. Sie verbindet sich im Kochen mit dem Wandel und Vergehen des Lebens. Ein spiritueller Akt.

Die Außenseiter Tokue und Sentaro finden bei der Zubereitung der An einen Weg aus ihrer Einsamkeit. Doch eines Tages bleibt die Schlange an der Imbissbude aus. Ein Gerücht macht die Runde: Tokues vernarbte und verwachsene Hände seien Zeichen einer Lepra-Erkrankung. Aber Sentaro will die alte Dame nicht entlassen: Seit sie bei ihm arbeitet, kann er endlich wieder lächeln.

Unfassbar zärtliche Momente hat dieser Film. Wie Puzzleteile ergeben die kleinen Nebengeschichten und fast unmerklichen Zeichen nach und nach ein Ganzes: Die vernarbten Hände Tokues verraten den Schmerz, den sie ihr Leben lang als Verstoßene empfand und in ihre Lebensphilosophie umwandelte. Sentaros kurzes Lächeln zeigt das Glück, das Tokue in sein Leben bringt. Die blühenden Kirschbäume lassen alle auf Neubeginn hoffen. Erinnern sie aber auch an ihre Vergänglichkeit.

Allerdings erschöpfen sich Tokues Naturbeobachtungen, die Bilder wehender Äste und regennasser Gräser irgendwann. Ihre Figur muss die Sehnsucht gestresster Großstädter nach einer "Alles ist einfach"-Religion erfüllen und große Erklärungen liefern. Dabei ist Kawases Film genau in jenen Momenten schön, in denen er sich in uneindeutigen Nebengeschichten verliert.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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