"Tatort"-Star im Interview

Dietmar Bär: "Wir haben den ganzen Tag die Hose unten"

von Wilfried Geldner
Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) haben es mit einer extrem merkwürdigen Nachbarschaft zu tun.
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Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) haben es mit einer extrem merkwürdigen Nachbarschaft zu tun.  Fotoquelle: WDR/Martin Menke

Dietmar Bär ist in der aufreibenden Rolle eines Vaters zu sehen, der in den syrischen Kriegswirren seine Tochter sucht. Ein "geradezu unpolitischer" Film, findet der "Tatort"-Star: "Es geht um Menschen in Not, denen man einfach helfen muss."

Freddy Schenk, der Name des Kölner Kommissars, der seit 1997 und nunmehr über 70 Folgen an der Seite seines Kollegen Ballauf (Klaus J. Behrendt) im Kölner "Tatort" ermittelt, ist längst zu einem Synonym des 1961 in Dortmund geborenen Schauspielers Dietmar Bär geworden. Der Darsteller des in sich ruhenden Großstadt-Cops, der Oldtimer und immer wieder mal auch eine Currywurst mag, ist im ZDF-Film "Für meine Tochter" (Mittwoch, 8. August, 20.15 Uhr) nun in einem packenden Psychodrama zu sehen.

Der Schauspieler geht psychisch und physisch an seine Grenzen. Als Benno Winkler macht er sich Hals über Kopf auf die Suche nach seiner Tochter, die nach dem Versuch, eine syrische Familie zu retten, im syrisch-türkischen Grenzgebiet verschollen ist.

prisma: "Für meine Tochter" handelt vom Rettungsversuch eines verzweifelten deutschen Vaters in Syrien. Hat Sie die politische Brisanz des Stoffes zum Mitwirken bewegt?

Dietmar Bär: Obwohl es das Thema ist, mit dem wir uns in diesen Tagen auf so bizarre Weise auseinandersetzen müssen: Ich sehe den Film und seine Geschichte gar nicht so politisch. Ich sehe einen Vater, der seine Tochter retten will, der einfach losgeht und dadurch die Distanz, die wir vielleicht alle zu diesem Thema haben, vergisst.

prisma: Über Berlin und Ankara, wo er von der Botschaft abgewiesen wird, landet er schließlich in einem Flüchtlingslager an der syrischen Grenze, mithilfe zwielichtiger Lotsen dringt er schließlich in syrisches Kriegsgebiet vor. Nach wie vor ist die Situation dort verwirrend.

Bär: Da ergeht es Benno Winkler wie den meisten von uns. Ähnlich wie im Kosovo-Konflikt oder im Nahen Osten sind die Konfliktparteien für ihn kaum auseinanderzuhalten. Es greift ja eins ins andere. Man sieht nur Elend, Tod, Folter und traumatisierte Menschen. Das ist geradezu unpolitisch, es geht um Menschen in Not, denen man einfach helfen muss. Benno denkt keine Sekunde darüber nach, in welche Situation er sich begibt. Indem er helfen will, wird er selbst zu einem Mann auf der Flucht.

prisma: Sie haben im Frühjahr 2017 zumeist in der marokkanischen Wüste gedreht. Die riesigen Lager, die Checkpoints an der Grenze sind realistisch nachempfunden. Dennoch: Wie konnten Sie sich in eine so gegenwartsnahe Situation wie die in Syrien hineinversetzen?

Bär: Eine herrliche Journalistenfrage! Da muss ich wieder mal mein Beispiel zitieren: Wenn der Klempner zu ihnen nach Hause kommt, fragen Sie ihn ja auch nicht, wie er sich vorbereitet hat. Wie ich selbst mit dem Stoff umgehe, darüber rede ich selten draußen. Meine Arbeit ist das, was Sie letztendlich sehen. Deswegen bin ich immer sehr wortkarg, was Erklärungen anbetrifft.

prisma: Immerhin haben Sie Ihren Beruf ja an der Westfälischen Schauspielschule Bochum gelernt.

Bär: Auf der Schauspielschule wird man auf das Wesentliche meines Berufes, auf die Theaterarbeit vorbereitet, auf Körpersprache, Stimmbildung, Entwicklung von Figuren. Aber darauf, "prominent zu sein", wie mein Freund Klaus J. Behrendt immer sagt, darauf bereitet einen leider keiner vor. Bennos Geschichte ist eine Reise ins Ungewisse. Wir haben uns deshalb gesagt: Wir fahren an den Drehort, und dort geht es dann auch gleich los. Genauso kommt Benno Winkler in Ankara aus dem Flughafen, und die Odyssee beginnt.

prisma: Aus dem Tatort "Manila" ging Ihr Engagement für die Straßenkinder auf den Phlippinen hervor. Lebt der Verein "Tatort – Straßen der Welt" immer noch?

Bär: Wir haben im Frühjahr gerade den 20. Geburtstag gefeiert, setzen uns aber auch für Kinder in Afrika ein. Und in Deutschland betreiben wir aktuell ein sogenanntes "Schulranzenprojekt", das Klaus J. Behrendt mit einem Freund in Osnabrück begonnen hatte. Zusammen mit den jeweiligen Kitas recherchieren wir, wo es sozial schwache Familien gibt, die keine finanziellen Mittel zur Ausstattung ihres einzuschulenden Kindes haben, insbesondere eben auch kein Geld für einen Schulranzen. In Zusammenarbeit mit den Herstellern ermitteln wir günstige Angebote für Schulranzen und finanzieren den Kauf dieser Ranzen durch Spendengelder. Der Bedarf wird leider immer größer.

prisma: Privat halten Sie sich bedeckt. Immerhin weiß man, dass Sie seit 2009 verheiratet sind. Kostet solche Geheimhaltung nicht auch viel Energie?

Bär: Privat ist privat, wie das Wort schon sagt. Es kommt immer darauf an, in welchem Beruf Sie arbeiten. Politiker arbeiteten zuletzt befremdlich viel hinter verschlossenen Türen. Wir Schauspieler arbeiten ja direkt vor ihrer Nase. Sie können uns den ganzen Tag von oben bis unten betrachten. Wir haben den ganzen Tag die Hose unten. Das hat mit dem Berufsbild zu tun. Von Menschen erzählen – und nichts verbergen. Wir haben ja nur uns – kein Instrument, keine Geige, keinen Tisch, den wir fertigen, keine Autos, die wir reparieren. Wir haben unsere Persönlichkeit. Die ordne ich neu ein für die jeweilige Rolle.

prisma: Sie sind gebürtiger Dortmunder und leben wahlweise in Köln und Berlin.

Bär: In Köln habe ich eine so genannte Dienstwohnung. Der Lebensschwerpunkt ist Berlin. Aber meine Arbeit lässt mich kaum hinkommen. Das Pendeln gehört zu meinem Berufsleben als fahrender Geselle.

prisma: Sie sind bekennendes BVB-Mitglied. Wie stehen die Aktien? Zuletzt hat der Verein ja viel Geld durch Transfers eingenommen.

Bär: An die Bundesliga kann ich noch gar nicht so richtig denken. Wir lecken ja alle noch unsere Wunden von der WM. Ich bin in der Nähe des Westfalenstadions zwischen Feuersalamandern und Hornissen aufgewachsen. Leider ließ mich meine Mutter nicht in einen Verein, so wurde ich nur Straßenfußballer, stand im Tor und hatte den Spitznamen "Katze von Hombruch" – frei nach Sepp Maier. Schon immer habe ich Torhüter bewundert. Manchmal treffe ich noch den Hans Tilkowski, der 1966 im Wembley-Tor stand. Er ist mit 82 noch fit wie ein Turnschuh. Wie er war ich zum Champions-League-Finale 2013 eingeladen, das Bayern gegen Dortmund 2:1 gewann. Ich konnte aber wegen einer Vorstellung dann nicht hin. Hinterher hat der Hans in seiner Enttäuschung den berühmten Satz geprägt: "Ich bin fertig mit Wembley!"

prisma: Eine Frage müssen wir noch stellen.

Bär: Aha, die unvermeidliche.

prisma: Wieviele "Tatorte" beabsichtigen Sie noch zu drehen?

Bär: Das kann ich gar nicht sagen. Ich bin kein Fußballer, den man fragen kann: In welchem Verein spielen Sie nächstes Jahr? Wir drehen in Köln, und ich habe einen Vertrag.

prisma: Die Quote stimmt demnach, im Januar waren es elfeinhalb Millionen Zuschauer.

Bär: Die Quote stimmt nur für die Entscheidungsträger. Ich bin als Schauspieler Kreativer. Ich höre lieber, was die Menschen draußen sagen, die im Stadion, beim Bäcker oder auf dem Bahnhof. Ich merke übrigens, dass die aus meiner Generation so die klassischen "Tatort"-Zuschauer sind. Die gucken auch noch Fernsehen im Fernsehen. Und die erreichen wir natürlich mehr als andere.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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