Keine Bettgeschichten, aber das Musikgeschäft von ganz tief drinnen: Tom Jones erzählt sein Leben.
Die Autobiographie des Sängers und Sexsymbols Tom Jones (75), die am kommenden Montag (22. Februar) auf Deutsch erscheint, wurde in England und Amerika mit Spannung erwartet.
Man hoffte auf Bettgeschichten im Dutzend, doch wie die "Los Angeles Times" bedauert, erschöpft sich der "Tiger aus Wales" mit einem trockenen Satz: Es habe manche Versuchung am Wegesrand gelauert.
Die Zeitschrift "The New Yorker" erlaubt es sich gar, das Sinnbild stimmgewaltigen Mannestums als leicht angetrottelt zu porträtieren.
Staubsaugervertreter in Südwales
Man will gemeinsam zu einem bestimmten Italiener auf der Arthur Avenue im New Yorker Bezirk Belmont, wo Tom Jones vor Jahren mit seinem Kumpel Rod Stewart richtig gut drauf war. Am Steuer Mark Woodward, Toms Sohn. Er ist auch schon 58. Jones hatte seine Familie – Ehefrau Linda, Sohn Mark – 1957 gegründet, mit 18, lange vor seiner Karriere. Zu der Zeit arbeitete er als Staubsaugervertreter in Pontypridd in Südwales.
Das Ristorante will und will sich nicht materialisieren, Tom Jones aber im Brustton der Überzeugung vom Rücksitz her: "Ich erkenne einen Ort wieder, wenn ich einmal da war." Alte Männer reden so.
Das Lokal bleibt unauffindbar. Sie wählen ein anderes, kein Problem. Kaum wird die Vorspeise serviert, kommt ein Mann vom Nachbartisch: "Ich habe Sie in Dubai gesehen", sagt er. "Wie Sie tanzen, unglaublich. Sie müssen gute Gene haben!"
Tom Jones sagt nichts. Sein Sohn bedankt sich höflich. "Und", fährt der aufdringliche Gast fort, "ich mache jetzt keinen Scherz: Die Frauen zogen ihre Unterwäsche aus und warfen sie auf die Bühne!" Tom Jones schweigt. Sein Sohn sagt noch mal danke. Und zum Reporter gewandt: "Das war jetzt genau das, was ich zum Salat hören wollte."
Nestwärme der Familie
Die Autobiographie, deren Titel "Over the Top and Back" das Auf und Ab einer Karriere im Haifischbecken Popmusik treffend wiedergibt, mag die seit 58 Jahren währende Ehe des als Thomas John Woodward geborenen Sängers ein wenig überbetonen.
Tatsache ist, dass sie gehalten hat und dass er sich von seinem Sohn Mark managen lässt. Die Nestwärme, die Tom Jones zeitlebens in der Familie gefunden hat, suchte er stets auch im Musikgeschäft, meist vergeblich.
Er war ja nur der grobschlächtige Typ aus der Provinz, der bei älteren Frauen gut ankam. Über so einen, uncool wie er war, machte man sich lustig im Swingin' London.
Szene: Tom Jones hat gerade seinen ersten Nummer-1-Hit gelandet, "It's not unusual" (der eigentlich Sandie Shaw versprochen war, die aber fand den Song scheußlich). Er setzt sich, Freunde suchend, in einen Club, in dem die Beatles proben. Als Erster erscheint John Lennon.
John sieht Tom, beginnt tatsächlich "It's not unsual" zu singen, aber mit einem improvisierten, sehr anzüglichen Text und ruft dann: "Na, wie geht's, walisische Schwuchtel!"
Tom ist geschockt. Auf Jahre. Er singt schreckliche Lieder, "Delilah", "Green, green Grass of Home" und spürt, dass er, der sich als Rocksänger fühlt, zum Schnulzenheini wird.
Aber Deutschland, wo er, anders als in Großbritannien, regelmäßig auf der Nr. 1 landet, liebt ihn. Die amerikanischen Moms in Las Vegas, wo er einen Millionenvertrag absingt, lieben ihn ebenfalls.
"What's New, Pussycat" wird zum Hit
Andere Szene: "Burt Bacharach hat ein Lied für dich", teilt ihm sein Manager mit. Es ist der Titelsong für einen Film mit Peter O'Toole, Romy Schneider, Woody Allen.
Tom Jones schnaubt: "Das soll ich singen!?" Burt Bacharach war in den Sechzigern eine Hitmaschine wie Lennon/McCartney, nur schmusiger. Er duldet keinen Widerspruch. Also singt Tom. "What's New, Pussycat" wird ein Riesenhit weltweit.
Letzte Szene: Kommt ein Brief von Paul McCartney. Mit Musik-Demo. Tom darf den Song "The Long and Winding Road" von McCartney übernehmen, muss sich aber schnell entscheiden. Tom lehnt ab: "Sagte mir nichts." Jahre später hört er das Lied im Radio, gesungen von Ray Charles. Tom: "Was war ich nur für ein Idiot!"