10.10.2022 Aktionswoche Ernährung

Metabolisches Syndrom: So werden Sie es wieder los

Von Annette Bulut
Dr. Matthias Riedl ist aus der beliebten NDR-Serie "Die Ernährungs-Docs" bekannt.
Dr. Matthias Riedl ist aus der beliebten NDR-Serie "Die Ernährungs-Docs" bekannt. Fotoquelle: Andreas Sibler

Am Donnerstag, 20.10., informiert Dr. Matthias Riedl aus der beliebten NDR-Serie "Die Ernährungs-Docs" im Rahmen unserer Aktionswoche hier auf Instagram live von 18 Uhr bis 19 Uhr darüber, was es mit dem gefährlichen "metabolischen Syndrom" auf sich hat. Und welche Möglichkeiten es gibt der Gesundheitsgefahr vorzubeugen. "Öfter Gemüse statt Fleisch", empfiehlt der Ernährungs-Doc. Hier können auch Gesundheits-Apps hilfreich sein. Uns hat er vorab schon einige Fragen beantwortet.

Was sind die typischen Merkmale des metabolischen Syndroms?
Der Begriff Metabolisches Syndrom bezeichnet eine Kombination von:

  • Übergewicht/Adipositas (vor allem im Bauchbereich)
  • Zuckerkrankheit/ Vorstufen wie Prädiabetes oder ein erhöhter Nüchtern-BZ schon ab 100 mg/dl
  • Bluthochdruck (Hypertonie)
  • Fettstoffwechselstörung (Dyslipoproteinämie)

Welcher Ernährungs- und Lebensstil fördert eine Entstehung eines metabolischen Syndroms?
Übergewicht, beziehungsweise Adipositas, gelten als die wichtigsten Promotoren des Metabolischen Syndroms. Somit steht eine Hyperkalorische Ernährung und den Verzehr vieler einfachen Kohlenhydraten und fettreichen Lebensmitteln im Zusammenhang. Gemeint sind im Besonderen ungesunde Fette. Für Olivenöl und Nussöl beispielsweise gilt eine umgekehrte Korrelation. Sie sind antidiabetogen und helfen das Gewicht zu mindern. Unter anderem wegen der Polyphenole. Einen passiven bzw. sitzenden und gestressten Lebensstil fördert die Entstehung des Metabolischen Syndroms. Das körpereigene Cortison steigert das Gewicht, verschlechtert den Schlaf und erhöht den Appetit.

Risikofaktoren sind:

  • Stress
  • Psychische Störungen
  • Körperliche Inaktivität
  • Erhöhte Menge an Viszeralfett
  • Schlafprobleme
  • Chronische Niereninsuffizienz
  • Polyzystisches Ovarialsyndrom mit Unfruchtbarkeit
  • Nicht-alkoholische Fettleber
  • Alkoholkonsum
  • Nikotin

Wie viele Deutsche sind davon betroffen und wie merkt man es überhaupt?
Die Prävalenz des metabolischen Syndroms in Deutschland wurde bis heute nur in wenigen Querschnittstudien untersucht. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind zwischen 19,8 und 23,8 Prozent der Erwachsene im Alter von 18 bis 99 Jahren davon betroffen. Davon 22,7 bis 26,6 Prozent bei Männern und 18,0 bis 21,0 Prozent bei Frauen in Deutschland. Dabei lassen sich Unterschiede je nach Region feststellen. So kommt es zum Beispiel, bei ostdeutschen Frauen (21,1 Prozent) häufiger vor, als bei westdeutschen Frauen (17,7 Prozent).

Welche Risiken sind damit verbunden?
Betroffene haben ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von arteriosklerotischen Gefäßerkrankungen. Zusätzlich ist das metabolische Syndrom mit einer höheren Inzidenz von Fettlebererkrankungen und Cholelithiasis (Gallensteine) verbunden. Außerdem steigt das Risiko für bestimmte Krebsarten unter anderem durch das Übergewicht und eine erhöhte Entzündungneigung: Leber, Pankreas, Brust, Colon. Autoimmunkrankheiten werden dadurch gefördert und gefährliche Covidverläufe.

Warum ist das Bauchfett besonders gefährlich?
Das sogenannte viszerale Fett, das in der Bauchhöhle sitzt, setzt chronische Entzündungen in Gang und beeinflusst das Immunsystem. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Freisetzung von Fettsäuren in den Blutkreislauf. Dadurch kann erhöhtes Bauchfett das Risiko für Herzerkrankungen und Typ-2-Diabetes. Aber auch eine ganze Reihe von Zivilisationskrankheiten wie erhöhte Blutfett, Depression, Hypertonus, Krebs, Autoimmunkrankheiten, Rheuma, Schuppenflechte, Fersensporn, Arthrose, Unfruchtbarkeit, Potenzstörungen, Infektanfälligkeit, Fettleber und vieles andere mehr.

Können Betroffene durch Gewichtsverlust und Änderung des Ernährungs-, und Lebensstils die Risiken zurückdrehen?
Unbedingt. Die Therapie führt zu einer erheblichen Verbesserung der Erkrankung. Risiken können gemindert werden. Für die meisten der oben genannten Krankheiten gibt es klare Heilungschancen oder zumindest eine Besserung oder Linderung.

Welche Therapie gibt es?
Eine Standarttherapie nach dem Motto "One-Size-fits-all" gibt es nicht. Allerdings erfordert das ein anderes Vorgehen als bisher. Diäten sind sinnlos. Ein individuell angepasster Umbau der Ernährung ist nötig. Geändert werden nur die Gewohnheiten, die großen Schaden anrichten beziehungsweise den größten Effekt versprechen. Wir gehen nach dem 20:80 Prinzip vor. Geändert werden höchstens 20 Prozent der Gewohnheiten. 80 Prozent bleiben. Das erhöht die Dauerhaftigkeit und den Erfolg. Die häufigsten schlechten Angewohnheiten sind viel Zucker, viele Kohlenhydrate, Snacking, zu wenig Gemüse beispielsweise.

Als Basismaßnahme empfehle ich die MyFoodDoctor App. Damit kann jeder Nutzer und jede Nutzerin das eigene Essverhalten über ein Ernährungstagebuch sehr genau nachvollziehen. Die App analysiert, ob die Ernährung der letzten Tage dem Soll entspricht und wie weit sie davon abweicht. Dann schlägt sie ganz konkrete Methoden vor, die dem User individuell buchstäblich auf den Leib geschneidert sind, ganz so, als wäre der Nutzer bei einer Ernährungsberatung im Medicum. Mit diesen Methoden haben schon viele Menschen langfristig Gewicht verloren, ihren Blutdruck und ihre Blutzuckerwerte deutlich verbessert und teilweise sogar ihren Typ-2-Diabetes geheilt. Mit dieser App wollen wir unsere Reichweite vergrößern und den Menschen helfen, die nicht zu uns in Medicum kommen können oder sonst eine Ernährungsberatung aufnehmen können.

Wichtig auch: regelmäßiges körperliches Training. Diese Maßnahmen können sowohl den Insulinhaushalt als auch die Cholesterinwerte beeinflussen. Zusätzlich sollten Risikofaktoren, wie Nikotin und Alkohol gemieden werden. Eine Hypertonie sollte medikamentös eingestellt sein, wenn sie nicht durch Änderung des Lebens besser wird. Bei andauernder Dyslipidämie und/oder Hyperglykämie ist ebenfalls eine medikamentöse Therapie indiziert.

In individuellen Fällen und nach Versagen konservativer Therapiemaßnahmen kann ein operativer Magenbypass indiziert sein. Das am häufigsten durchgeführte Verfahren ist der Roux-en-Y-Magenbypass. Das ist aber nur bei Versagen der Ernährungsumstellung indiziert.

Was sollte man essen, wenn man erste Anzeichen für ein metabolisches Syndrom hat, um es wieder loszuwerden?
Man sollte sich möglichst ausgewogen und abwechslungsreich ernähren. Es soll auf den täglichen Verzehr von Obst und Gemüse geachtet werden. Mengenangaben dafür und den weiteren Lebensmittelgruppen sind von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung vorgegeben (siehe die zehn Regeln der DGE: https://www.dge.de/ernaehrungspraxis/vollwertige-ernaehrung/10-regeln-der-dge/). Getreide sollten auch täglich verzehrt werden. Dabei ist wichtig, auf die Menge und Art der Kohlenhydrate zu achten. Bei Lebensmittel tierischer Herkunft sind fettarme Produkte zu bevorzugen. Meine Faustregel: 500 Gramm Gemüse am Tag, möglichst wenig Kartoffeln, Reis und Nudel. Brot dann Vollkorn und ausreichend aber nicht zu viel Eiweiß möglichst pflanzlich. Vorsicht bei Fleisch: Hier maximal 200 Gramm pro Woche.

Ändert sich dadurch die Lebenserwartung?
Eine signifikante Besserung wird häufig bereits durch Lebensstilveränderungen erzielt. Bei einer erfolgreichen Lebensstiländerung bessert sich die Lebenserwartung. Dies erfordert aber laut Studien zehn bis 20 Jahre. Es verbessern sich sofort viele Beschwerden und Begleitkrankheiten wie die Depression. Die Lebensqualität steigt ebenso wie die Laune.

Das könnte Sie auch interessieren