Krimi im Ersten

Tatort: Frauen, die Männern zu Willen sind

28.03.2016, 09.16 Uhr
von Detlef Hartlap
Als Hauptkommissarin Ellen Berlinger gibt Heike Makatsch ihr "Tatort"-Debüt in "Fünf Minuten Himmel".
BILDERGALERIE
Als Hauptkommissarin Ellen Berlinger gibt Heike Makatsch ihr "Tatort"-Debüt in "Fünf Minuten Himmel".  Fotoquelle: SWR/Ziegler Film

Ein sehenswertes Freiburger Special am Ostermontag mit Heike Makatsch als Kommissarin. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.

Eine Frauensache. Ellen Berlinger (Heike Makatsch) fährt vor einem gediegenen Altbau-Einfamilienhaus mit Garten und Obstbäumen vor, umschleicht das Gebäude, wirft ein Blick durch die Terrassentür – und macht sich wieder aus dem Staub. Fürs Erste.

Zurück in der Heimat

Im Laufe des Films werden wir erfahren: Sie ist nach 15 Jahren aus London zurück in ihre Freiburger Heimat gekommen. Dort war sie für das Bundeskriminalamt im Einsatz, hier ermittelt sie für die örtliche Kripo.

Was aber ist vorgefallen in diesem nicht schönen, doch kuscheligen Zuhause? Die Tochter der Kommissarin (Emilia Bernsdorf) ist unter der Obhut der Großmutter Edelgard (Angela Winkler) aufgewachsen. Die Kommissarin tut sich schwer, mit ihrer in dieser Hinsicht unbefangeneren Tochter zu reden.

Mit ihrer Mutter würde Ellen Berlinger hingegen gerne sprechen, aber die alte Frau hat, so scheint es, mit ihrer Tochter abgeschlossen. Angela Winkler bringt in ihren wenigen Szenen eine gewisse (soll heißen: nicht endgültige) Gnadenlosigkeit rüber, die zum Besten an diesem Film gehört.

Das bevorzugte Spiel

Eine Schülersache. Eine Gruppe Gymnasiasten liebt und entliebt sich, man pflegt routiniert Sex miteinander, um im nächsten Augenblick zu sagen: "Du gehst mir so was von auf die Nerven!" Das bevorzugte Spiel jenseits von Sex, Longboard und leichten Drogen heißt "Passing Out" oder auch "Five Minutes Heaven" – wonach der Tatort benannt ist: Fünf Minuten Himmel.

Dieses Manöver um künstlich erzeugten Sauerstoffmangel im Gehirn, das eine Ahnung von Orgasmus vermittelt und regelmäßig zu leichter Ohnmacht führt, durchzieht den Film wie das angestrengte Atmen eines Lungenpatienten. Schön ist was anderes.

Irgendwann im Verlaufe der 90 Tatort-Minuten wird alles zusammengeführt werden, das "Passing Out" und das Berlinger’sche Familienleben, zuvor aber hockt ein Job-Center-Mitarbeiter tot an seinem Arbeitsplatz, eine Abschiedsmail demonstrativ auf dem Bildschirm. Selbstmord? Ellen Berlinger bekommt eine Steilvorlage (Drehbuch Thomas Wendrich) und kann sich als gewiefte Spurendeuterin professionell einführen und den Freiburger Kollegen (durchweg Männer) en passant klarmachen: Ihr seid Luschen!

Wirr, hilflos und flatterhaft

Das gilt übrigens für alle männlichen Mitwirkenden, für den wirren Herrn Kurani (André Benndorff), der den Verlust seiner Wohnung nicht verwinden kann, für den abgebrühten Job-Center-Chef Miklos (Robert Besta), für die hilflosen Väter von Freiburg wie für den flatterhaften und sich unwiderstehlich dünkenden Jüngling Titus (Oskar Bökelmann).

Sie alle und noch mehr sind eine einzige Quelle des Unglücks, welches nur dadurch noch gesteigert werden kann,  dass Frauen ihnen allzu willentlich entgegenkommen. Oder auch notgedrungen entgegenkommen müssen, wie Cornelia Mai (Julika Jenkins). Denn neben den Frauensachen und der Schülerszene streift der Film in traditioneller Tatort-Manier auch ein soziales Thema. In diesem Fall die Wohnungssituation in Freiburg, die von einem offenbar unerträglich starken Gentrifizierungsdruck gekennzeichnet ist.

Ellen Berlinger besteht diesen Tatort in hochschwangerem Zustand. Sollte es also, was durchaus im Raum steht, nach diesem "Tatort-Special" zu einer zweiten Folge kommen, dürfte sich die Situation unter den Obstbäumen des Berlinger-Gartens einerseits entspannt, andererseits verschärft haben. Es wird eine Art von Frieden zwischen den Generationen herrschen, aber die Arbeit wird bei Oma Edelgard hängenbleiben.

Ellen Berlinger macht unterdessen den Schlaffis von der Freiburger Polente Beine. Und vielleicht werden wir dann doch noch ein wenig genauer als diesmal unterrichtet, was eigentlich bei den Berlingers passiert ist, damals vor 15 Jahren.

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